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Gravity (Alfonso Cuarón, 2013)

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gravity1Gravity ist wohl der ultimative Katastrophen- und Langer-Weg-nach-Hause-Film. Dabei spricht er zwei meiner Ursehnsüchte und -ängste an. Ich kann mir kein erhabeneres, befreiteres, friedvolleres Gefühl vorstellen, als in Schwerelosigkeit vom Weltraum auf die Erde zu schauen, gleichzeitig aber auch keinen größeren, durchdringenderen Horror, als halt- und hilflos in die unendliche Dunkelheit desselben zu treiben. Wahrscheinlich werde ich kaum jemals näher an beide Gefühle herankommen als beim Miterleben von Ryan Stones ultimativem Trip. Ich hatte danach tatsächlich das Gefühl, um eine Erfahrung reicher zu sein, eine weite Reise hinter mir zu haben. Alleine dafür muss ich Alfonso Cuarón schon dankbar sein. Das sind nun mal Bilder, wie man sie noch nicht gesehen hat. Und auch Steven Prices Klanggemälde macht alles richtig.

Diese neuartigen Bilder werden allerdings nicht mit einer neuartigen Handlungsführung verknüpft, auch wenn Cuarón diese sehr übersichtliche Ausgangssituation nutzt, um in relativ einfachen Symbolen und Worten von fundamentalen menschlichen Themen zu sprechen, die um Beziehungen, Verbindungen, Loslassen und Erneuerung, Veränderung, Wachstum kreisen. Bereits das Filmposter zeigt die gekappte Nabelschnur zwischen dem Menschen und der Mutter Erde, zu der er in einem Wiedergeburts- und Evolutionsprozess zurückfinden muss. Dafür muss er jedoch erst lernen, loszulassen, um neue Verbindungen knüpfen zu können. In diesen Kampf zwischen Leben und Tod werden auch schön die vier irdischen Elemente eingebunden. Alle sind auf ihre Weise am Wiedergeburtsprozess beteiligt, wenn Luft und Erde auch eher Leben spenden, während Feuer und Wasser ebenso zerstörerische Kraft besitzen. Diese Bedeutungsebene ist zwar geschickt verbunden mit den technischen und physikalischen Besonderheiten der Raumfahrerei, wirkt aber etwas oberflächlich, zu plakativ auf die Handlung aufgesetzt. Besonders Ryans psychischer Ballast und dessen Verarbeitungsprozess sind schon etwas plump und werden zu schnell abgearbeitet. Cuaróns Ideen sind nicht schlecht, sie hätten nur wesentlich sorgfältiger entwickelt werden können. Diese 90 Minuten sind dafür nicht ausreichend, finde ich. Dadurch beeindruckt der Film zwar im Moment des Sehens, aber nicht nachhaltig, durchdringend. Zumindest mir ging es so. Weniger gefallen hat mir auch die Besetzung von George Clooney, der trotz Raumanzug sehr dominant auftritt, sich durch seine Starpersona fast vor die Bilder drängt und dadurch deplatziert wirkt. Sandra Bullock bringt dagegen das richtige Maß an Zurücknahme und Emotionalität mit.

Mit Cuaróns Implikation, dass der Mensch nichts verloren hat im Weltraum, dass er sich besser um zwischenmenschliche Beziehungen statt um Forschung bemühen soll, bin ich schließlich auch nicht einverstanden. Wir sind Teil des Planeten Erde und dieser ist wiederum Teil des Weltalls. Unseren erweiterten Lebensraum besser verstehen zu wollen, halte ich nicht für vermessen. Lasst mich hier einen anderen, wesentlich weiseren Film zitieren, der von der Erde aus von der Beziehung zwischen dieser, dem einzelnen Menschen und dem Weltraum und schließlich auch von Wiedergeburt erzählt:

For someone who was never meant for this world, I must confess I’m suddenly having a hard time leaving it. Of course, they say every atom in our bodies was once part of a star. Maybe I’m not leaving… maybe I’m going home.

Die Bilder von Gravity haben mich zwar vollkommen mitgerissen, mir ein ganz neues Filmerlebnis vermittelt, eine persönliche Empfindung des Weltalls, um etwas über den Menschen im Allgemeinen zu lernen, wende ich mich aber lieber anderen Filmen zu. Tarkowskij etwa hat doch in fast jedem seiner Filme Fortschrittskritik, Opferbereitschaft, die Macht der Erinnerungen und Heimweh überzeugender, trotz bescheidenerer Mittel kraftvoller in Szene gesetzt.


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